LandGut Wolff-von der Lieth GbR

Das Gute liegt so nah ...

Das LandGut Wolff-von der Lieth bewirtschaftet in dritter Generation einen Rinderzuchtbetrieb im Landkreis Cuxhaven. Unter optimalen Bedingungen werden derzeit mehr als 200 Tiere gehalten. Der Hof steht für eine ausgesprochen hohe Qualität in der Rinderzucht und exzellentes Fleisch aus der Region. Seit drei Jahren zählt auch eine kleine Herde Wagyu Rinder zum Hof. Wagyu-Rinder sind Nachzüchtungen des berühmten Kobe-Rindes.
 
Das LandGut Wolff-von der Lieth bietet seinen Kunden Einzigartiges: frisches, reinrassiges Wagyu Fleisch aus heimischer Produktion. Wagyufleisch ist einzigartig im Geschmack, sehr zart und geschmacksintensiv. Erreicht wird dieses ausserordentliche Ergebnis besonders auch durch langsames, natürliches Wachstum der Rinder auf eigenen, naturbelassenen Weiden. Darüber hinaus werden die Tiere -neben Grassilage- mit Mais und Getreide aus LandGut-eigenem Anbau verwöhnt. 
 
Kunden erwarten Heute eine artgerechte Haltung der Rinder und wissen um die positiven Auswirkungen kurzer Transportwege auf das Wohl der Tiere. Das LandGut Wolff-von der Lieth legt sehr viel Wert auf die regionale Vermarktung seiner qualitativ hochwertigen Fleischprodukte. Am vergangenen Freitag wurde ein ausgewachsener Wagyu-Bulle geschlachtet. Für alle Gourmetfreunde bietet sich daher aktuell die Möglichkeit, ausgezeichnetes Wagyu-Fleisch aus heimischer Produktion zu erwerben.
 
Weitere Informationen erhalten Sie direkt von der Familie Wolff-von der Lieth, die auch Ihre Bestellung gerne entgegen nimmt.
 
LandGut Wolff-von der Lieth GbR
Dorfstraße 63
 
27624 Elmlohe-Marschkamp
 
Tel.: 04704-230435
Fax: 04704-230958
 
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
 
Zur Verfügung stehen derzeit noch Rumpsteak, Filet, Tafelspitz und Vieles mehr. Aber denken Sie daran: „Nur der frühe Vogel fängt den Wurm!“ - für dieses exklusive Angebot gilt das sicher ganz besonders.
 
Ihre
Gourmetfreunde Bremerhaven & umzu

Curry

Curry ist eine Bezeichnung für eine Mischung aus verschiedenen und wechselnden Gewürzen und für Gerichte mit dieser Gewürzmischung.

 

Osten

würzig/herb
Kreuzkümmel
Kardamom, schwarz
Zimt
Senfsaat, hell u. dunkel
Bockshorn
Muskatnuss
Fenchelsalat




Knoblauch

Kurkuma (gelb)
Chilipulver (scharf)

 









Pfeffer, schwarz
Kreuzkümmel, schwarz
Zwiebelsaat, schwarz

 

 

Westen

fruchtig/frisch
Koriandersaat
Kardamom, grün
Gewürznelke
Piment
Tamarinde
Zitronengras
Limettenblätter




Ingwer

Hauptbestandteile jeder Currymischung sind stets Kreuzkümmel und Koriandersaat - beide Gewürze sollten etwa im Verhältnis 1:1 (respektive 40/60 oder 60/40) stehen und möglichst zerstoßen oder fein gemahlen werden. Die Anteile der anderen Gewürze - auch von Kurkuma (gelb) und Chilipulver (scharf!) - sollten die der beiden Hauptkomponenten nicht übertreffen. Wählt man mehr "Westen" wird das Curry fruchtiger, bei "Osten" würziger.

Beispiel :

Je 2 TL Kreuzkümmel & Koriandersaat %
1/2-1 TL Bockshorn
1/2-1 TL helle Senfsaat
1/2 -1 Zimtstange resp. einige Stücke Zimtrinde (ganz oder zermahlen)
5 grüne Kardamomkapseln (zerstoßen oder mit Messerrücken nur angedruckt)
5 schwarze Kardamomkapseln (die klebrigen Kerne zerstoßen)
2 Nelken (ganz oder zerstoßen)
1/2 TL schwarzer Pfeffer (zerstoßen)
1/2 TL Chilipulver
1 TL Kurkuma

ggf. 1 Messerspitze Fenchelsaat (zerstoßen)
1 Prise Muskatnuss
oder 2-3 Limettenblätter (gibt es im Asienladen)

Wer möchte kann je 1-2 TL feingehackten Knoblauch und Ingwer (hier auch etwa 1: 1) hinzufügen. Ganze Gewürze (Zimtstange, Nelken, grüner angedrückter Kardamom) sollen kurz mitgebraten werden. Dann Knoblauch und Ingwer ebenfalls kurz mitdünsten - nicht braten - weil es den Geschmack beeinträchtigt!!! und zum Schluss die gemahlenen Gewürze hinzugeben. Alles gut durchrühren und mit Brühe, Kokosmilch, verdünntem Tamarindensirup ablöschen, aufkochen und auf kleiner Flamme garen lassen.

Euer Kurt

Zanderfilets

Auch als Mediziner und Arzt muss man einmal über den Tellerrand schauen können und sich in Selbstkritik üben. Nicht alles was einmal als wissenschaftliches Dogma galt war sinnvoll und wurde von den kritischen Fachkollegen anerkannt bzw. hat sich später auch allgemein in der Forschung durchgesetzt. Zu nennen wären hier einige Ereignisse aus der Geschichte der Wissenschaft, die mit entsprechender, teilweise auch penetranter Hartnäckigkeit von der experimentierfreudigen Zunft der Gelehrten vertreten wurde. So galt nicht nur in der Antike die Erde als Scheibe an deren Rand man nicht kommen durfte, da man sonst in den Abgrund (Hades) fallen würde. Diese eigentümliche Anschauungsweise hat sich übrigens noch lange gehalten und auch die Seefahrer des Kolumbus glaubten, obwohl damals schon die Kugelgestalt der Erde bekannt war, an derartige Spukgeschichten. Z. Zt. von Kolumbus vertrat auch die Kirche die abenteuerliche Meinung, dass die Erde Mittelpunkt im damals bekannten Kosmos war und die Sonne mit den übrigen Planeten um diesen "Zentralplaneten" kreisten. Erst Galilei, Kopernikus und Kepler bewiesen das Gegenteil. Galilei wäre beinahe für seine Lehrmeinung auf den Scheiterhaufen verbrannt worden, wie einst Giordano Bruno vor ihm. Dieser herausragende Universalphilosoph der Renaissance, der 1600 auf dem Scheiterhaufen in Rom als Ketzer hingerichtet wurde, postulierte die damals ungeheuerliche These von der Unendlichkeit des Weltraums. Damit stellte Bruno sich der herrschenden Meinung einer in Sphären untergliederten geozentrischen Welt und somit der unumstößlichen Lehre der Kirche entgegen.

Glimpflicher kamen in der Regel die Mediziner davon. So führte z.B. Leonardo da Vinci, der zwar kein Mediziner war, zwischen 1510-1516 im Hospital des Klosters Santa Maria Nuova als einer der ersten umfangreiche anatomische Studien an Leichen durch. Zu dieser Zeit waren aber die Sektionen von Leichen von der Kirche erstens offiziell und zweitens strengstens verboten. Nur gelegentlich erlaubte die katholische Kirche derartige Untersuchungen an hingerichteten Straftätern. Deshalb sezierte Leonardo die Leichen heimlich. Auf Fragen nach seinem Tun antwortete er, derlei Studien hälfen ihm in der Malerei, den menschlichen Körper mit seinen Proportionen, seinen sichtbaren Muskeln und seinen anderen anatomischen Details korrekt wiederzugeben. Die Dunkelziffer derartiger Studien an Leichen war sicherlich damals höher anzusetzen. Einen visuellen Eindruck, wie es im Mittelalter bei Sektionen von Leichen wohl gewesen sein mag (eher im Verborgenem und nur in Kleingruppen), vermittelt uns Rembrandts Bild die Anatomie des Dr. Tulp (1632).

Zurück zu den Dogmen. Auch bei den Medizinern haben sich einige Lehrsätze nicht durchsetzen können. So glaubten die Ärzte des Mittelalters noch an die "Viersäftelehre" des Hippokrates (400 v. Chr.) und versuchten sämtliche Krankheiten den vier Säften wie Blut, Schleim, schwarze und gelbe Galle anzuhängen. Nur die Ausgewogenheit dieser Säfte führte zur Gesundheit, bei Störungen dieses Gleichgewichtes entwickelten sich Krankheiten. So einfach war das damals. Noch im 16. Jahrhundert vertraten fast alle Mediziner die Lehrmeinung des Galens, dass das Blut laufend in der Leber produziert und durch Kontraktion der Arterien in Bewegung versetzt werde. Bis William Harvey 1649 erkannte, dass Arterien und Venen einen zusammenhängenden Blutkreislauf bildeten und das Herz, wie eine Pumpe, das Blut zirkulieren lässt. Auch die Aderlassbehandlungen, eine Modeerscheinung der damaligen Zeit, die bis zum ausgehenden Mittelalter gerne praktiziert wurden, um die kranken Säfte auszuleiten, erwiesen sich als Fehlbehandlungen. Viele der Gequälten starben zwar nach dieser unangenehmen Prozedur an Infektionen und anderen Unvorhersehbarkeiten, aber die Mediziner hielten sich strikt an die vorherrschenden, neuesten Lehrmeinungen der Universitäten. In diesem Zusammenhang muss man auch folgenden, mit lockerer Feder verfassten, amüsanten Bericht verstehen, den ich dem Buch "Zanderfilets" von Hans Conrad Zander entnommen habe.

I. KABINETTSTÜCK
Ludwig XIV. auf dem Kabinett
Worin wir lernen, was ein Patient ist.

Warum hat König Ludwig XIV. von Frankreich eigentlich so fürchterlich gestunken? Die Tatsache selber ist allgemein bekannt und wird nicht einmal von den Schulbüchern verschwiegen. Aber man findet dort eine eigentümlich vage Erklärung. Es sei, hat man uns in der Schule gesagt, im 17. Jahrhundert ganz allgemein nicht üblich gewesen, sich zu waschen, und so habe eben nicht einmal der überaus reichliche Gebrauch von Parfüm am Hof des Sonnenkönigs zu Versailles die hygienischen Mängel der Zeit zu überduften vermocht. Diese Erklärung ist zwar plausibel, aber falsch. Natürlich hat jede Epoche ihren eigenen Gestank, und ein mittelalterlicher Mensch würde wahrscheinlich ohnmächtig, wenn er die chemischen Sauberkeits- und Schönheitspräparate röche, nach denen der ganz normale Mensch heute stinkt. Aber wir selber merken das ja nicht. Denn es kennzeichnet den allgemeinen Duft einer Epoche, dass ihn die Zeitgenossen selbst nicht wahrnehmen.

Dass Ludwig XIV. duftete, haben aber selbst die Zeitgenossen wahrgenommen. Zahlreich sind die diskreten Hinweise darauf, was für eine Qual es gewesen sein muss, sich mit dem Sonnenkönig aus der Nähe zu unterhalten oder gar sein Tischgenosse zu sein. Und wenn Madame de Maintenon, seine Mätresse, im Laufe der Jahre immer frommer wurde und ihrem Louis immer eindringlicher zuredete, er solle doch die religiöse Erbauung den Sünden des Fleisches vorziehen, so hatte das wahrscheinlich höchst weltliche Gründe. Denn ein Kuss des Sonnenkönigs war zwar eine göttliche Ehre, nach der mit Ausnahme von Liselotte von der Pfalz alle Damen des Hofes lechzten. Aber ein Genuss war das nicht, und niemand wusste das besser als Madame de Maintenon. Dank sei deshalb dem französischen Historiker Louis Bertrand, der das historische Rätsel um die besondere Duftnote des großen Bourbonen mit allem gebotenen wissenschaftlichen Ernst geklärt hat. Professor Bertrand hat das getan, was man immer tun sollte, wenn mit dem körperlichen Befinden eines Menschen etwas nicht stimmt: Er hat die Ärzte untersucht. Da sind die Leibärzte des Sonnenkönigs, der docteur Vallot, der docteur Daquin und der docteur Fagon. Jeder von ihnen ist ein Arzt, wie er im Buche steht: ohne jede Kenntnis der menschlichen Realität, aber dafür vollgeblasen mit ärztlichem Standesbewusstsein und mit den medizinischen Weisheiten von Europas renommiertester Universität: der Pariser Sorbonne.

Nehmen wir den Doktor Daquin. In seinen Händen befindet sich der Sonnenkönig während seiner blühendsten Mannesjahre. Im Kopf des Doktor Daquin sitzt das Dogma, es gebe im ganzen menschlichen Körper keinen gefährlicheren Infektionsherd als die Zähne. Und der Doktor folgert daraus, dass man Zähne allenfalls im Munde eines gewöhnlichen Untertanen belassen könne. Bei Seiner Majestät dem König aber müssten sie allesamt gezogen werden, solange sie noch gesund seien. Dagegen sträubt sich Ludwig XIV. Aber Daquin wendet jenen psychologischen Trick an, mit dem er jede seiner Ideen bei Ludwig durchzusetzen weiß: Er sagt dem mächtigsten Herrscher Europas, seine Gesundheit sei gleichbedeutend mit seiner gloire, und drum sei es für seine königliche Glorie nötig, ihm die Zähne allesamt zu ziehen. Am folgenden Tag notiert der Leibarzt in seinem Tagebuch: "Seine Majestät der König hat mir geantwortet, er sei für seine Glorie zu allem bereit, sogar zum Sterben." Ludwig XIV. ist nicht gerade gestorben beim großen Zähneziehen in Versailles. Aber der Doktor Daquin geht immerhin so geschickt vor, dass er dem König, zusammen mit den unteren Zähnen, auch gleich den Kiefer zerbricht und ihm, zusammen mit den oberen Zähnen, einen großen Teil des Gaumens herausreißt. Alles, den Lehren der Sorbonne entsprechend, ohne Narkose. Der königliche Unterkiefer wächst nach einer Weile wieder zusammen, aber der herausgerissene Gaumen ist natürlich nicht wieder zu ersetzen. Den Doktor Daquin schert das nicht. Einen Monat später notiert er in seinem Tagebuch: "Zum Zweck der Desinfektion habe ich Seiner Majestät das Loch im Gaumen vierzehnmal mit einem glühenden Eisenstab ausgebrannt."

Fortan erleben die Tischgenossen Seiner Majestät täglich das Spektakel, dass dem großen Bourbonen, wenn er trinkt, das halbe Glas Wein gleich wieder zur Nase heraussprudelt. Schlimmer noch: in der offenen Tropfsteinhöhle, mit der sich der Mund des Königs zur Nase öffnet, setzen sich ständig größere Brocken fester Nahrung auf so komplizierte Weise fest, dass sie sich erst nach Wochen auflösen. Durch die Nase. Durch seinen zahnlosen Mund schlingt der Sonnenkönig riesige Mengen Nahrung unzerkaut hinunter. Nichts hat ihm die Bewunderung seiner Zeitgenossen in solchem Maße eingetragen wie sein ungeheurer Appetit. Denn der Appetit des Königs gilt im 17. Jahrhundert als ein Zeichen des göttlichen Segens für das gesamte Königreich. Aber Louis isst nicht, weil ihm der Himmel gewogen ist. Er isst, weil er lebenslänglich an Bandwurm leidet. Das steht heute zweifelsfrei fest, weil es zu den Aufgaben seiner Leibärzte gehörte, täglich einen detaillierten Bericht über die Exkremente Seiner Majestät zu erstellen. So isst denn Louis mit maßlosem Appetit, ohne jemals satt zu werden. Zum Mittagessen lässt er sich in einer einzigen riesigen Schüssel Enten, Hasen, Fasanen, Lerchen, Perlhuhn, Truthahn und Rebhühner servieren, das Ganze zehn bis zwölf Stunden lang in derselben Sauce zerkocht. Denn der zahnlose König kann ja nicht mehr kauen. So suchen ihn, den ganzen Nachmittag über, fürchterliche Verdauungsstörungen heim. Kein Wort kommt in den ärztlichen Tagebüchern häufiger vor als das Wort "vapeur". Gemeint sind Blähungen aller Art. Dabei bleibt es aber nicht. Doktor Daquin notiert: "Seine Majestät hat heute wieder erbrochen, und zwar zur Hauptsache völlig unzerkaute und unverdaute Materien, darunter eine große Menge unverdauter Trüffel."

Das macht dem Arzt aber keine große Sorge. Denn das Dogma der Sorbonne lehrt, dass der Darm viel wichtiger sei als der Magen und dass nur ein entleerter Darm ein gesunder Darm sei. So verschreiben denn die Ärzte des 17. Jahrhunderts gegen alle Krankheiten des Leibes und der Seele am laufenden Bande Abführmittel, etwa so wie heute Ärzte Beruhigungstabletten. Zum Glück kann sich der gewöhnliche Untertan in Frankreich und Navarra einen Besuch beim Arzt nur selten leisten. Anders der König. Für die Gesundheit Seiner Majestät, darüber sind sich die Leibärzte einig, sind nur die besten und stärksten Abführmittel gut genug, und zwar täglich eingenommen. Täglich muss Louis also seinen "bouillon purgatif" schlürfen, einen Sud aus Schlangenpulver, Pferdemist und Weihrauch. Erstaunlicherweise tut das schreckliche Gesöff durchaus seine schreckliche Wirkung. Und da es zu den vornehmsten Pflichten der Leibärzte gehört, täglich zu notieren, wie oft Seine Majestät muss, so wissen wir, dass Ludwig der Große täglich so zwischen vierzehn- und achtzehnmal dort sitzt, wohin selbst der König zu Fuß geht. Wohlgemerkt: der König geht. Es ist vollkommen undenkbar, dass Seine Majestät durch Versailles läuft. So ist es denn keineswegs seine persönliche Schuld, wohl aber eine hinreichende Erklärung für seine persönliche Duftnote, dass er häufig zu spät kommt.

Im Jahre 1686 endlich bäumt sich das königliche Gedärm gegen die jahrzehntelange medizinische Misshandlung auf. Zuerst mehren sich in den ärztlichen Tagebüchern Sätze wie: "Seine Majestät hat heute wieder Blut gestuhlt." Dann bildet sich am Rückenende Seiner Majestät ein faustgroßes Geschwür. Während die Ärzte hin und her raten, sitzt der Sonnenkönig mit derart versteinertem Gesicht auf seinem Thron, beziehungsweise auf seinem Geschwür, dass sich in ganz Europa das Gerücht verbreitet, der König von Frankreich liege im Sterben. Jetzt ergeht der Befehl an alle Beamten des Reiches, alle jene Untertanen ausfindig zu machen, die ein ähnliches Geschwür haben wie der König, und sie unverzüglich nach Paris zu bringen, zur Verfügung von Professor Felix.

Über einen Monat lang hat Sorbonne- Professor Felix, eine chirurgische Kapazität, diesen bedauernswerten menschlichen Meerschweinchen den Hintern kreuz und quer aufgeschnitten und wieder zugenäht, um medizinische Erfahrungen zu sammeln für das ungleich wertvollere Gesäß Seiner Majestät. Er macht das so gründlich, dass die Versuchspersonen gleich reihenweise auf den Friedhof gekarrt werden. Ludwigs Schmerzen aber sind inzwischen unerträglich geworden. Am 17. November erteilt er den Befehl, ihn, koste es, was es wolle, am folgenden Morgen zu operieren. Mit Rücksicht auf das königliche Prestige findet die Operation im kleinsten Kreise statt. Ludwig lehnt jede überflüssige Hilfe ab und legt sich selber bäuchlings auf den Schragen. Seine Mätresse, Madame de Maintenon, betet ihm laut vor: "0 Herr, in deine Hände befehle ich meinen Geist." Dann saust das langgewetzte Messer von Professor Felix zehnmal nieder.

Es ist wohl eher den Gebeten von Madame de Maintenon als der Kunst von Professor Felix zuzuschreiben, dass die Operation gelingt. Aber alles, wirklich alles, was über den Hof von Versailles zu sagen ist, liegt in einer Notiz beschlossen, die jetzt im ärztlichen Tagebuch von Professor Felix folgt. Der Chirurg berichtet, dass sich in den Tagen nach der Operation mehr als dreißig Höflinge bei ihm gemeldet haben, mit dem dringenden Ersuchen, sie doch, bitte, bitte, an der gleichen Stelle zu operieren wie Seine Majestät. "Ich habe", schreibt Professor Felix, "jeden der Herren eingehend am betreffenden Körperteil untersucht, habe aber nichts gefunden, was einen chirurgischen Eingriff rechtfertigen würde. Als ich ihnen diese Diagnose mitteilte, war keiner unter ihnen, der nicht tief enttäuscht, ja beleidigt gewesen wäre."

Derweil leidet Louis Schmerzen wie ein Pferd. Die Operation hat natürlich ohne Narkose stattgefunden. Gleich danach hat man ihn auch noch zur Ader gelassen. Anschließend drückt man ihn auf den Betschemel der Hofkirche für eine große Danksagungsmesse. Um seine Genesung zu demonstrieren, hat er sein Mittagessen vor dreißig Personen einzunehmen. Am Nachmittag muss er auf seinem blutig zerschnittenen Hintern zwei Stunden lang dem Großen Rat des Königreichs vorsitzen. Denn selbst wenn der König vom Operationstisch kommt, ist es unmöglich, irgend etwas am pompösen Tageslauf in Versailles zu ändern. Bleibt die Frage, wie Louis XIV. das grauenhafte Martyrium, das ihm seine Ärzte zugefügt haben, durch siebenundsiebzig Jahre seines Lebens überhaupt aushalten konnte. Zwei Dinge kommen da zusammen. Einmal die unerhört robuste Konstitution des Königs. Kaum ist er am 5. September 1638 geboren, da schreibt schon der schwedische Gesandte nach Stockholm, der Säugling sei so außerordentlich kräftig, dass drei Stillmütter kaum mit ihm fertig würden, und die Welt möge sich hüten vor einem Thronfolger, der schon in den Windeln so unerhörte Energien entwickle. Diese Energien sind es, die siebenundsiebzig Jahre lang der Kunst der Ärzte getrotzt haben.

Das zweite aber ist die Mentalität Ludwigs XIV. Von der französischen Historikerin Madeleine Jacquemaire stammt das Wort, mit Ludwig XIV. habe zweiundsiebzig Jahre lang auf dem französischen Thron kein Franzose, sondern ein Spanier gesessen. Auf jeden Fall hat Ludwig XIV. seinen französischen Vater, Ludwig XIII., zeit seines Lebens so maßlos verachtet, dass es verboten war, in seiner Gegenwart von seinem Vater auch nur zu sprechen. Maßlos verehrt hat er dagegen seine spanische Mutter: Anna von Österreich. Ihrem Vorbild hat er ein Leben lang nachgeeifert, in seinem absolutistischen politischen Ehrgeiz ebenso wie in seiner persönlichen Lebensauffassung.

Nie ist dem Sohn der Spanierin auch nur ein einziges Wort der Klage über die Lippen gekommen. Noch die schlimmsten Torturen, die ihm seine Ärzte zufügten, hat er mit der heroischen Unfühlsamkeit eines Spaniers wortlos ertragen. Und majestätisch wie ein spanischer Grande ist er durch Versailles stolziert: den Bauch von Blähungen gepeinigt, die Hosen voll, die verstopfte Nase aber so verächtlich über die ganze Menschheit hochgezogen, als wolle er noch in seiner peinlichsten Schwäche die Welt beschämen mit einem souveränen: "L'odeur c'est moi!"

Euer Kurt

Tabak

Wenn Süße den Tabak umschmeichelt

Zigarren und Wein. Die einen schätzen den Genuss beider Produkte, die anderen bevorzugen das Geschmackserlebnis lieber im Solovergnügen. Letztlich ist es eine Frage des persönlichen Geschmacks und des individuellen Zugangs zu diesen, auch die Sinne anregenden, Genuss-mitteln. Die Süße eines Weines kann im geschmacklichen Zusammenspiel mit einer Zigarre eine sehr erfreuliche Erweiterung der Genussdimension ergeben. Mit der Süße ist es in Kombination mit einer Zigarre wie bei der Säure des Weines: Ist die Säure zu hoch und nicht abgefedert durch einen, wenn auch nur geringen Restzucker, so bleibt die Säure mit dem Rauch für sich geschmacklich stehen. Nicht selten verliert die Säure aber auch durch einen höheren Alkoholgehalt ihre Kanten. Nicht jeder Süßwein eignet sich daher für den gemeinsamen Genuss (Crossover-Genuss). Bei zu hoher Restsüße und geringem Alkoholgehalt, wie bei den großen deutschen Beeren- und Trockenbeerenauslesen, dominiert die Restsüße auch die Zigarre und macht sie quasi zu einem nach Tabak schmeckenden "Süßlutscher". Für das gemeinsame Genusserlebnis kommt es daher sehr entscheidend auf die Höhe des Restzuckers und des Alkohols an. Sind beide in einem harmonischen Gleichgewicht, kann das Raucherlebnis entsprechend genuss- und aromaerweiternd sein. Die Zigarre sollte aber in jedem Fall Körper und Geschmacksvolumen haben, um die Süße zu balancieren. Vintageport und vintageport-ähnliche Weine sind nicht zuletzt wegen der betont fruchtigen Grundstruktur des von der Süße umspielten Tannin- und Alkoholgehaltes ideale Zigarrenbegleiter.

Folgende ausgesuchte Weine und Zigarren wurden von Testern der Zigarrenzeitschrift (European Cigar Journal) mit Weinen der Wine Company/Hawesko zusammengestellt und empfohlen. Die Weine wurden aus funktionell entsprechenden Gläsern, die die Bukett- und Geschmacksentfaltung entscheidend mitbestimmen, des renommierten Glasmachers Georg Riedel getrunken. Folgende Kombinationen haben die Tastsinne der Tester umschmeichelt:

Wein: Fonseca Bin 27 Fine Reserve Port (Portwein)
Zigarre: Bossner Churchill Reserve Limited Edition (Einlage und Umblatt: Dominikanische Republik; Deckblatt: Connecticut)

***

Wein: Fonseca Vintage Port, 2000 (Portwein)
Zigarre: San Cristobal de La Habana El Morro (100% Cuba)

***

Wein: Ruster Ausbruch, 2001 (Eiswein))
Zigarre: Balmoral Maduro Lonsdale (Einlage: Dominikanische Republik; Umblatt: Brasil und Dominikanische Republik; Deckblatt: Brasil)

***

Wein: Chateau de Rasignani, Muscat
Zigarre: Teamo Millenaria, Maduro (Einlage: Mexico, Brasil; Doppelumblatt und Deckblatt: Mexico)

***

Aber liebe Gourmetfreunde, Ihr könnt selbstverständlich auch Eure eigenen Vorstellungen umsetzen und Eure individuellen Geschmackskonzepte kreieren. Achtet jedoch bitte immer darauf, dass es für das gemeinsame Genusserlebnis sehr entscheidend auf die Höhe des Restzuckers und des Alkohols ankommt.

In diesem Sinne, auf Euer Wohl!

Euer Kurt

Grünkohl & Pinkel

Grünkohl

Der Grünkohl bringt im Winter Oldenburger, Friesen und Bremer in Scharen auf die Beine. Dann bricht die 5. Jahreszeit in Norddeutschland an. Er ist zum Zentrum eines Brauchs geworden, den man getrost als norddeutschen Karneval bezeichnen kann, auch wenn die Kostümierung norddeutsch-dezent ausfällt. Von Buß- und Bettag bis zum Gründonnerstag wird dieser alte Brauch in Norddeutschland und Teilen Skandinaviens gepflegt. Vor allem in den Hochburgen Oldenburger Land und Bremen/Bremerhaven aber auch zwischen Ems und Aller sowie Elbe und Weser sogar in Osnabrück und Braunschweig besitzt das Grünkohlessen einen hohen gesellschaftlichen Stellwert. Innerhalb des Einzugsgebietes der Grünkohlessen haben sich regionale Zubereitungsunterschiede herausgebildet. Dabei beschränken sich die Rezepturen auf mehr oder weniger angedickte Kohlbeilagen, doch auch ausgesprochene Grünkohl-Eintöpfe (z.B. im Emsland) sorgen für Abwechselungen.

Im Oldenburger und Bremer Raum, in Ostfriesland und im Gebiet Westfalens wird der Kohl zumeist mit Grütze und/oder Haferflocken gekocht und zusammen mit Kartoffeln und diversen Fleischbeilagen serviert. Die Fleischbeilagen zum Grünkohl sind und waren ebenso regional unterschiedlich. In Bremen und Oldenburg werden neben der Pinkelwurst, einer geräucherten Grützwurst und Namensgeber der "Kohl- und Pinkelfahrten", noch Kassler Rippspeer (der Kasseler Rippenspeer ist übrigens kein typisch norddeutscher Leckerbissen und kommt auch nicht aus Kassel. Ein Herr Kasseler, seines Zeichens Schlachter in Berlin, erfand diese Delikatesse, die zur klassischen Grünkohlbeilage aufstieg), durchwachsener Speck und Kochwurst serviert.

In Emden isst man den Grünkohl ohne Pinkel, der wiederum im Jeverland zusammen mit dem Speck nicht fehlen darf. In Südoldenburg wird zum Kohl geräucherte und frische Mettwurst, Kasseler und Bauchspeck aufgetischt und in Westfalen gelten die "Mettendchen" (= kleine, geräucherte Mettwürste) als klassische Beilage. Im Osnabrücker Land, Hamburg und Schleswig Holstein isst man auch Grünkohl traditionell mit Kasseler, Kohlwurst oder grober Bratwurst, Röstkartoffeln und oft auch mit Zucker bestreut. Ebenso ist den Hannoveranern, Braunschweigern und Hildesheimern die Pinkelwurst nicht bekannt. Dort wird Brägenwurst (Bregenwurst) zum Braunkohl gereicht, eine rohe bzw. leicht geräucherte Mettwurst aus Schweinebauch, Hirn vom Rind oder Schwein, Zwiebeln, Salz und Pfeffer. Ihren Namen hat die Bregenwurst übrigens vom plattdeutschen Bregen oder Brägen, was "Hirn oder Kopf" bedeutet. Heute wird sie wegen der BSE-Gefahr ohne Hirn zubereitet.

In Mecklenburg und Vorpommern wird Grünkohl dagegen traditionell als Wintergemüse mit Kasseler, Lungenwurst oder Schweinebacke zu Salzkartoffeln gegessen.. Auch in den Niederlanden wird dieser Kohl in Form eines Eintopfes mit Kartoffeln und Gelderländer Räucherwurst als nationales Wintergericht serviert.

Sowohl Bregenwurst (auch Brägenwurst), als auch Pinkel sind untrennbar mit dem Grünkohl verbunden und werden auch nur für die Wintersaison hergestellt. Die Zusammensetzung dieser regionalen Beilage wird in folgender Quelle so treffend beschrieben: Pinkel aber giebt es vielleicht nirgends in der Welt als in der guten Stadt Bremen. Es ist ein uraltes Gericht und verdient nicht nur seiner Ehrwürdigkeit, sondern auch seiner Güte wegen eine nähere Beschreibung. 'Pinkel' bedeutet ursprünglich in der niedersächsischen Mundart den Mastdarm des Ochsen. Der Mastdarm ist schon von Natur fett. Man stopft ihn mit Hafergrütze, Zwiebeln, Fleisch, Fett und Gewürzen und bereitet so eine Art Wurst, welche sehr kräftig und fett ist und dem feinen Kohl das giebt, was ihm fehlt. Diese Pinkelwurst kommt zusammen mit dem Kohl dampfend auf den Tisch, und man muß sie sofort, mit Beiseitelassung alles Anderen, in heißem Zustande essen; denn wenn sie nicht mehr ganz warm sind, schmeckt weder der Kohl noch die Wurst gut" (Braun 1879). Und dann taucht da immer wieder der nicht allzu ernst gemeinte Nachbarschaftsstreit auf, der sich um die Fragen dreht "wer wohl die Ersten waren, die diesen Brauch pflegten und somit Urheberrechte haben und wo wohl der Kohl am besten schmeckt und wer die beste Pinkelwurst hat usw., usw."?

Im Norden Deutschlands streiten sich daher alle Jahre wieder, vor allen Dingen die Städte Bremen und Oldenburg darum, wessen Spezialität das "Kohl- und Pinkelessen" denn nun sei. Die längste Tradition können die Bremer nachweisen, die seit 1545 ein öffentliches Grünkohlessen zelebrieren, dicht gefolgt von den Oldenburgern. Den Charakter eines Brudermahls hat die in Bremen ausgerichtete "Schaffermahlzeit" bereits seit ihrer Gründung 1545, als Bremer Handelskapitäne das "Haus Seefahrt" gründeten, um als Stiftung in Not geratenen Seeleuten helfen zu können. Jeweils am zweiten Freitag im Februar kamen die Mitglieder zur Rechnungslegung zusammen. Dabei wurde gut gegessen und getrunken, denn die Zusammenkunft war gleichzeitig das Abschiedsessen für die in See stechenden Kapitäne. Die Speisenfolge, Kohl und Pinkel mit Stockfisch und dunklem Seefahrtsbier, hat sich bis heute gehalten. Nicht jedoch die Bedeutung des Schaffermahls, das seinen Namen durch die zusätzliche Aufnahme von Bremer Kaufleuten ("Schaffern") - die zudem als neu hinzukommende "Novizen" die Kosten für das Essen zu übernehmen haben - erhalten hat. Für Bremen hat das Schaffermahl primär wirtschaftspolitische Bedeutung, und so setzt sich der Kreis der Teilnehmer aus verdienten Kaufmannschaften, Kapitänen und geladener auswärtiger Prominenz zusammen. Frauen nahmen bis vor kurzem nicht daran teil. Als erste Lady wurde im Februar 2007 Frau Merkel als Bundeskanzlerin zum Schaffermahl daran geladen. Die Oldenburger verweisen auf einen Brief des Gelehrten Justus Lipsius aus dem Jahre 1586. Dieser befand sich auf der Durchreise von Brabant nach Hamburg und musste in Oldenburg Quartier beziehen. Er schrieb an seinen Freund folgendes über die vorherrschenden Tischkulturen der Oldenburger nach Brabant: "Da bin ich in Oldenburg. Wo liegt das Ding, wirst Du fragen? Es ist ein westphälisches Städtchen, ein wahres Nest .... Alles übel, was Menschen treffen kann, hat mich betroffen: denn alle Elemente waren wider mich in Aufruhr. Und die Speisen - kaum menschlich sind sie. Du kennst meinen Körper, und weißt, dass nur ausgewählte Speise ihn empor hält. Nun denke dir die Kost in den hiesigen Wirthshäusern! Was sag' ich, Wirthshäuser? Ställe sind es .... Da sitzt man dann mit den Fuhrleuten und Schweinetreibern um's Feuer, trinkt, was sie trinken, und bey jedem Trunk reicht man sich feyerlich die Hand. Indeß wird der Tisch gedeckt ... Siehe da, das erste Gericht! Dicker Speck und roh dazu! 0 mein armer Magen! Was soll ich machen? Andere Kost fordern, das darf ich nicht ... Doch da kommt der ersehnte zweyte Gang, die Hauptschüssel! eine ungeheure Kumme voll braunen Kohls! Einen Finger breit darüber her fließt die Brühe von Schweinefett. Diesen Ambrosia essen meine Westphälinger nicht, sie verschlingen ihn. Mich ekelt er an ... Das letzte Gericht ist ein Stück Käse, so verdorben, dass er fließt. Aber grade das halten sie für den Ausbund von Leckerey. So ist's auf dem Lande, nicht viel besser in den Städten."

In Westfalen wird auch anderswo seit je her traditionell ein Grünkohlessen serviert. Seit 1590 wird am Donnerstag nach dem ersten Advent im Herforder Stadtteil Radewig ein "Kohlfest" gefeiert. Im Jahre 1530 wurde nach Unruhen im Zuge der Reformation die Jakobikirche in Radewig geschlossen. In den folgenden knapp 60 Jahren sollte die als Treffpunkt für Pilger auf ihrem Marsch nach Santiago de Compostela dienende Kirche leer stehen und dem Verfall preisgegeben werden. Doch als Antonius Brudtlacht 1588 zum Bürgermeister ernannt wurde, begann die Renovierung der gotischen Hallenkirche. Am 5.12.1590 strahlte die Kirche in neuem Glanz und zur Feier des Tages lud Brudtlacht die städtischen und kirchlichen Vertreter zu einem Mittagsmahl ein: Grünkohl mit Mettwurst. Diese Speisenfolge hat sich bis heute bewahrt und findet im "Kohlfest" - welches in den Familien privat begangen wird - ihre Entsprechung.

Doch nicht nur in ländlichen Kleinstädten Norddeutschlands war der Grünkohl zum bevorzugten Gemüse geworden, auch in Großstädten wie Hamburg stand er auf dem Speisezettel. So verzeichnet der Speiseplan eines Hamburger Waisenhauses im Jahre 1604: "Donnerstag Grüner Kohl mit Speck, oder Erbsen mit Speck und Butterbrot." Aus einer Fülle von Reisebeschreibungen, die vermehrt im Ausgang des 18. Jahrhunderts einsetzten, wird es möglich, einen Einblick in den Kochtopf und damit in die damaligen Essgewohnheiten der Norddeutschen zu bekommen. Als Beispiel sei hier der Bericht von J.G. Hoche genannt, der nach seiner Reise durch das Saterland, einer Region in Nordwestdeutschland, die ungefähr dem Landkreis Cloppenburg entspricht, bemerkte: "Ihre Speisen (=die der Saterländer) sind nicht ausgesucht, sie genießen sie aber in großen Quantitäten .... Schinken, geräuchertes Fleisch, schwarzes Brot, Kartoffeln, mehrere Arten braunen Kohl, Butter und Käse, sind die gewöhnlichen Nahrungsmittel." Übrigens lebt hier die heute noch kleinste anerkannte Sprachminderheit Deutschlands, die Saterfriesen.

Eine Kohl- und Pinkelfahrt ist also typisch norddeutsch. In vielen Gemeinden, in denen Grünkohl angebaut wird, werden auch Kohlkönige gekürt. Besonders die Stadt Oldenburg benutzt das "Defftig Ollnborger Gröönkohl-Äten", um einmal jährlich im politischen Berlin für sich zu werben und einen Politiker als "Oldenburger Kohlkönig" zu wählen. So wurde zum Beispiel Helmut Kohl 1984 zum Grünkohlkönig in Bonn gewählt, Otto Schily wurde im Januar 1999 in Berlin zum Grünkohlkönig gekürt, Guido Westerwelle war 46. Oldenburger Grünkohlkönig und Christian Wulff wurde am 24.Januar 2005 zum 48. Grünkohlkönig ernannt. Aktueller Grünkohlkönig ist Günter Verheugen. Die Stadt hofft, dass sich der "König" oder die "Königin" in ihrer "Amtszeit" für die Interessen der Stadt einsetzt und diese zumindest einmal offiziell besucht. Die bereits an anderer Stelle erwähnten Grünkohlzutaten sind in Bremen und Oldenburg zum einen der Grünkohl und zum anderen die Pinkelwurst. Der Grünkohl (Brassica oleracea convar. Acephala variatio sabellica) gehört zur Familie der Kreuzblütengewächse (Brassicaceae). Es ist ein typisches Wintergemüse und eine Zuchtform des Kohls (Brassica oleracea). Regional wird er auch Braunkohl (beispielsweise in Braunschweig, Magdeburg und Bremen) oder Krauskohl genannt. In der Schweiz ist er unter den Namen Federkohl bekannt. In Ostwestfalen trägt er den seinen Wuchs umschreibenden Namen "Lippische Palme", weiter nördlich "Oldenburger bzw. Friesische Palme".

Wann und wo Grünkohl erstmalig verzehrt wurde verschwindet im Nebel der prähistorischen Ursuppe. Die Nahrungsforschung hielt sich bislang bei der Stellung und Geschichte des Kohls als Mahlzeit bedeckt. Einen ersten zeitlichen Hinweis liefert uns Reay Tannahill in ihrer "Kulturgeschichte des Essens. Von der letzten Eiszeit bis heute", ohne jedoch die Quellengrundlage offen zu legen. In einem Abschnitt über die prähistorische Welt stellt sie fest: "Zu den Grüngemüsen, deren Geschichte sich in Europa und Asien bis in die fernste Vergangenheit zurückverfolgen lässt, gehören vor allem die verschiedenen Kohlarten". Verschiedene seriöse Quellen weisen jedoch daraufhin, dass der Grünkohl seinen Ursprung wahrscheinlich in Griechenland genommen hat. Dort wird jedenfalls erstmals 400 v.Chr. ein krausblättriger Blattkohl beschrieben, der später bei den Römern als Sabellinischer Kohl bezeichnet wurde und in der römischen Küche als Delikatesse zählte. Dieser Kohl ist wohl der Vorläufer des heutigen Grünkohls. Andere Quellen verweisen darauf, dass der Weißkohl und vor allem der Wirsing, ebenso Blumenkohl und Rosenkohl offensichtlich mit dem römischen Gartenbauwesen über die Klöster zu uns gekommen sind, während es sich bei dem Grünkohl wohl um eine alteingebürgerte Pflanze, von der sich Wildformen oder verwilderte Formen an der gesamten atlantischen Westküste, bis nach England und Irland und auch auf Helgoland und der dänischen Insel Lolland befinden, handelt. Es lässt sich heute nicht mehr genau ausmachen, ob der Grünkohl altheimisch oder sehr früh durch Völkerverkehr vom Süden her durch die Kelten zu den Germanen gekommen ist."

Eine weniger seriöse Quelle will uns folgende Geschichte erzählen: "Der Grünkohl kommt ursprünglichhoch aus dem Atlasgebirge in Nordafrika und galt bei den Berbern als Unkraut. 800-900n.Chr. sollen die Wikinger bei ihren Mittelmeerkreuz- und Raubfahrten auch den Grünkohl samt Wurzelwerk mit in die Heimat geschleppt haben , um ihre heimischen Gärten zu schmücken. Im Schicksalsjahr 896 n.Chr. vernichteten Käferarten die gesamte Weißkohlernte in Nordeuropa, neben eingelegten Heringen, Pökelfleisch und Räucherwürsten die Hauptnahrung in den langen Winterperioden. Die ersten Fröste zogen über das Land und Meer und die not war so groß, dass die ersten Jungfrauen geopfert wurden, um Wotan gnädig zu stimmen. Der große Wotan erbarmte sich und sandte Erleuchtung, dass man die "ungenießbaren" Strünke (Grünkohl) nach den ersten Nachtfrösten nicht nur essen sondern richtig zubereitet herrlich genießen konnte."

Der Grünkohl ist eine außerordentlich genügsame Pflanze, die zu jeder Jahreszeit, selbst unter ungünstigsten Witterungs- und Bodenverhältnissen kaum der Pflege bedarf. Zudem können bestimmte Sorten als Viehfutter verwendet werden, so dass Mensch und Tier ein Auskommen haben. Da die Ernte nach dem ersten Frost einsetzt (dadurch wird das Ungeziefer vernichtet und der Kohl nimmt einen süßlichen Geschmack an) und sich je nach Bedarf bis ins Frühjahr hineinziehen kann, entfällt im Gegensatz zu anderen Gemüsen oder Getreidesorten die Vorratshaltung im Winter. Der Kohl bleibt auf dem Feld stehen und kann täglich frisch geerntet werden. Ein zeitgenössischer Bericht aus Ostfriesland belegt die Vorzüge: "Der Strunkkohl (= Grünkohl), so genannt, weil seine krausen Blätter an einem hoch emporschießenden Strunk wachsen, wird dagegen (im Vergleich zum Kopfkohl) viel angebaut, in allen Gegenden des Landes. Er ist auf der Marsch, nächst den Kartoffeln, das Hauptnahrungsmittel im Winter, und eine der beliebtesten Speisen, die häufig dreimahl wöchentlich auf den Tisch kommt; auch die Bürger in den Städten essen ihn gern, und selbst die Vornehmeren verschmähn ihn nicht .... Auch als Viehfutter wird er auf fast jeden Marschplatz und selbst den bessern Gegenden der Gast(= Geest), namentlich den am Rand derselben, vielfältig gebauet, wiewohl solches in Vergleich gegen den Futtergewächsbau in Deutschland kaum in Anmerkung kommt .... Er lässt sich in den allertrockensten Sommern, wie dem jetzigen, versetzen, wurzelt, wenn man ihn nur ein paarmahl angießt, gleich ein, und wächst fast so gut fort als in feuchtem Wetter .... Bei feuchter Witterung, wenn Kopfkohl bloß Blätter und schlechte Köpfe ansetzt, Kartoffeln, Steckrüben etc. faulig werden, leidet unser Kohl gar nicht, und von Insekten und sonstigem Ungeziefer weniger wie andre Gewächse .... Ein wichtiger Vortheil dieses Gemüses ist endlich noch seine Ausdauer im Winter. Frost, statt zu schaden, macht ihn vielmehr noch besser; er nimmt erst, wenn er tüchtig durchgefroren, einen angenehmen süßen Geschmack an, der ihn zur Speisung beliebt macht. Den ganzen Winter durch bleibt er auf der Stelle stehen, wo er gewachsen, und sehr selten dass er Schaden leidet; noch tief im Frühling ist er so frisch wie im Winter, und erst wenn die Blüthenstengel hervorkommen, wird er wässeriger. Man kann also täglich seinen Bedarf davon holen, und hat nicht nötig im Herbst alles auf einmahl einzufahren welches so höchst unbequem bei den ohnehin überhäuften Feldarbeiten ist; darf nicht einmahl für einen Aufbewahrungsort im Winter sorgen." (Arends III 1820)

Grünkohl kann also den ganzen Winter über geerntet werden, allerdings sollten Kaltfröste ab -10 Grad C und mehr vermieden werden. Es heißt oft, durch den Frost würde ein Teil der im Grünkohl enthaltenen Stärke in Zucker umgewandelt, weshalb der nach den ersten Frösten geerntete Kohl besser schmecke. Tatsächlich spielen Frost und Stärke keine Rolle, sondern es kommt auf die späte Ernte und allgemein kühle Temperaturen an. Reifer Grünkohl enthält kaum noch Stärke, die umgewandelt werden könnte, bildet durch die Photosynthese aber weiterhin Traubenzucker. Durch die kühlen Temperaturen verlangsamen sich die Stoffwechselvorgänge allgemein, besonders die Tätigkeit des Enzyms Phosphofructokinase wird stark gehemmt - der Zuckergehalt der Kohlblätter steigt an. Da diese Traubenzuckeranreicherung nur bei der lebenden Pflanze stattfindet und der Frost selbst keine Rolle spielt, kann der Effekt der späten Ernte nicht durch kurzes Einlagern des geernteten Kohls in der Kältetruhe imitiert werden. "In de Kohltiet kann de Doktor op Reisen gahn", heißt ein altes Sprichwort. Es hat recht. Die moderne Ernährungswissenschaft hat festgestellt, dass Grünkohl ein überaus gesundes Gemüse ist. Im Grünkohl ist zehnmal so viel Karotin enthalten wie im Weißkohl, doppelt so viel Eiweiß wie im Blumenkohl und fast so viel Vitamin C wie in der Paprika. Im Grünkohl sind zusätzlich enthalten: Vitamin A, E, B1, B2, B6, Niacin und Folsäure, außerdem Kalium, Calcium, Phosphor und Eisen. Langes Kochen kann dem Vitamingehalt des Wintergemüse nicht viel anhaben. Gerade die im Winter so wichtigen Vitamine A, C und E werden durch den Kochvorgang erst richtig feigesetzt. Wer also im Winter viel Grünkohl isst, dem kann die kalte, feuchte Jahreszeit nicht viel anhaben und er kann auf teure Vitamin-Brausetabletten verzichten.
Die dem Grünkohl beigemessene Heilkraft wurde bereits in vorchristlicher Zeit bei der Behandlung von Geschwüren und des Alkoholismus eingesetzt (Vor allen Dingen bei der letzten Indikation und einem daraus resultierenden möglichen Therapieerfolg dürften heutzutage berechtigte Zweifel auftreten, wenn man die Teilnehmer der Kohl- und Pinkelfahrten in vivo studiert.). Auch heute finden sich in ländlichen Gegenden noch Rudimente des auf die medizinische Wirkung des Grünkohls hoffenden Volksglaubens: So sollen bei gezieltem Anlegen der in heißem Wasser zusammengefallenen Kohlblätter die Kopfschmerzen des Patienten rasch verschwinden; ebenso erlösende Wirkung sagt man der Pflanze bei Augenentzündungen nach. Doch auch unter Gliedersteifheit leidende Schweine sollen von ihren Leiden erlöst werden, wenn man ihnen Kohlblätter zum Fressen gibt - diese müssen allerdings gestohlen worden sein.

Inwieweit die beschriebenen Behandlungsmethoden tatsächlich die erhoffte Wirkung zeigten oder im Bereich des Aberglaubens anzusiedeln sind, soll an dieser Stelle nicht erörtert werden. In der Literatur findet sich eine Fülle von Nachweisen, die den Volksaberglauben rund um den Grünkohl belegen und als kulturelle Indikatoren Aussagekraft besitzen. So musste man in der Heiligen Nacht in der ehemaligen Provinz Hannover aus dem Garten Braunkohl holen und ihn den Pferden und Kühen zum Fressen geben, damit diese keinen Luftröhrenkatarrh oder Blähungen bekamen. Ähnlich verfuhr man in der Sylvesternacht: Der Knecht musste mit gestohlenem Kohl in den Stall gehen und die Pferde füttern, um das ganze Jahr hindurch gesunde und glänzende Tiere zu haben. Und in der gleichen Quelle heißt es: "Wer an Weihnachten keinen Braunkohl isst, bekommt Eselsohren." (Handwörterbuch des Aberglaubens 1927). In vergangenen Zeiten galt der Grünkohl als fester Bestandteil der Frühlingsmahlzeiten, die sinnbildlich am Gründonnerstag abgehalten wurden. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts wurde in Ostfriesland eine Frühlingsmahlzeit gegessen, die den Menschen Kraft und Frische nach den überstandenen Wintermonaten verleihen sollte. Dabei wurde dieses kultische Mahl aus sieben oder neun verschiedenen Kräutern zubereitet, dem als Beilage Grünkohl hinzugefügt wurde. Die volkstümlichen Bezeichnungen des Gerichtes waren "Sövenderlei" oder "Negenderlei" , auch "Negenkraft" oder "Negenstärke". Dabei war der Bezug zu den mystisch-symbolischen Bedeutungen der Zahlen 7 und 9 gewollt und nicht zu übersehen. Dem Gericht sollte dadurch zusätzliche Heilkraft verliehen werden. In Teilen Ostfrieslands (z.B. in Esens, Wittmund oder Aurich) wird heute noch in einigen Familien am Gründonnerstag letztmalig in der Saison Grünkohl auf den Tisch gebracht. (Teile dieser meiner "Grünkohlodyssee" habe ich aus Martin Westphals Diplomarbeit: " Kohl- und Pinkelfahrten", Münster 1988, F. Coppenrath Verlag, entnommen.)

Pinkel

Die geräucherte Grützwurst mit dem etwas irreführenden Namen "Pinkel" wird eigens für die Grünkohlsaison hergestellt. Es gibt wohl kein anderes Gericht in Norddeutschland, in der die Pinkelwurst Verwendung findet, sie gehört ultimativ zum Bremer und Oldenburger Grünkohl dazu. Ohne sie schmeckt der Kohl nur halb so gut, meinen jedenfalls die hiesigen eingefleischten Grünkohlfans. Sie gibt ihm die Würze und einige Köche dicken den Kohl, statt mit Hafergrütze oder Haferflocken, mit aufgeschnittener Pinkelwurst an. Es gibt kein allgemein gültiges Pinkelwurstrezept. Sie besteht im wesentlichen aus Speck, Grütze von Hafer oder Gerste, Rindertalg, Schweineschmalz, Zwiebeln, Salz und Pfeffer sowie anderen Gewürzen. Die genaue Zusammensetzung der Rezeptur wird von den jeweiligen Schlachtern als Betriebsgeheimnis gehütet und ist von Dorf zu Dorf durchaus unterschiedlich. Qualitativ hochwertigere Pinkel werden als Fleisch-Pinkel bezeichnet.

Den Namen hat die Wurst von ihrer Hülle. So bedeutet ostfriesisch pink übersetzt "kleiner Finger", "Geschlechtsglied" oder auch "kleine Wurst" und der Mastdarm von Schwein bzw. Ochsen wird mit dem schönen plattdeutschen Namen "Pinkeldarm" bezeichnet. In diesen Pinkeldarm stopfte man früher die Wurstzutaten hinein. "Wenn die Wurst dann zum Räuchern in die Räucherkammer gehängt wurde und das gelbliche Fett, durch die Wärme bedingt, nur so durch den Darm triefte, der mit ein wenig Phantasie an einen tropfenden Penis erinnerte, sagte man: "Oh de Wurst de pinkelt". Eine Original-Pinkel bekommt man kaum noch. Die Wurstmasse steckt heute in einem Kunstdarm oder in einem Leinensäckchen. Zum Verzehr muss deshalb die Wurst von ihrer Pelle befreit werden.